Einführung
Der Zusammenhang zwischen Religiosität, Religionslosigkeit und sozialem Wohlbefinden war in den letzten Jahrzehnten Gegenstand von Studien in Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft. Verschiedene internationale Berichte, wie der UN-Weltglücksbericht und Studien des Pew Research Center, zeigen ein einheitliches Muster: Länder mit geringerer Religionszugehörigkeit schneiden bei Indikatoren für subjektives Wohlbefinden, menschliche Entwicklung und soziale Gleichheit tendenziell gut ab. Dieser Artikel untersucht die wichtigsten Zusammenhänge zwischen Religionslosigkeit und Wohlbefinden, mit besonderem Augenmerk auf nordische und europäische Gesellschaften.
Globales Panorama der Religionslosigkeit
Laut Pew Research (2017) bezeichnen sich etwa 16 % der Weltbevölkerung als „religiös ungebunden“. Zu dieser Gruppe gehören Atheisten, Agnostiker und Menschen, die zwar kulturelle Rituale praktizieren, aber keiner organisierten Religion angehören. In West- und Nordeuropa sind zwischen 40 und 70 % der Bevölkerung von Religionslosigkeit betroffen, wobei die Quote in Schweden, Estland, der Tschechischen Republik und den Niederlanden besonders hoch ist.
Im Gegensatz dazu weisen Regionen mit einem niedrigeren Maß an wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit – wie etwa Afrika südlich der Sahara, der Nahe Osten und Lateinamerika – deutlich höhere Religiositätsraten auf, was auf einen Zusammenhang zwischen materiellen Bedingungen und religiöser Zugehörigkeit schließen lässt.
Subjektives Wohlbefinden und Religiosität
Der World Happiness Report 2023 stufte Finnland, Dänemark, Island und Schweden hinsichtlich des subjektiven Wohlbefindens weltweit an die Spitze ein. Diese Länder haben drei gemeinsame Merkmale:
1. Hoher Grad an Religionslosigkeit oder geringe religiöse Praxis.
2. Starke Wohlfahrtsstaaten, die allgemeine Bildung, Gesundheitsversorgung und Renten garantieren.
3. Hohes zwischenmenschliches und institutionelles Vertrauen.
Gallup-Studien zeigen, dass religiöse Menschen in ärmeren Gesellschaften eine höhere Lebenszufriedenheit aufweisen als Nicht-Religiöse. Auf nationaler Ebene ist der Trend jedoch umgekehrt: Länder mit einer höheren Religionslosigkeit weisen tendenziell ein höheres durchschnittliches Wohlbefinden auf.
Strukturelle Ursachen der Korrelation
Experten gehen davon aus, dass es sich bei der Beziehung zwischen Religionslosigkeit und Wohlbefinden nicht um eine direkte Kausalität handelt, sondern dass es sich eher um eine durch strukturelle Faktoren vermittelte Korrelation handelt:
- Soziale Sicherheit: Wenn der Staat Schutz vor Risiken (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter) garantiert, nimmt die Rolle der Religion als unterstützendes Netzwerk ab.
- Bildung: Ein höherer Bildungsgrad geht mit größerer religiöser Skepsis und einer Vorliebe für wissenschaftliche Erklärungen einher.
- Soziale Gleichheit: In gerechteren Gesellschaften besteht weniger Bedarf, auf religiöse Institutionen als Mechanismen des Zusammenhalts und der Unterstützung zurückzugreifen.
Fallstudien
- Schweden und Dänemark: Diese Länder haben einen Bevölkerungsanteil von über 60 % ohne religiöse Zugehörigkeit und sind führend im globalen Wohlstand, weisen niedrige Kriminalitätsraten und ein hohes Vertrauen in die Institutionen auf.
- Estland: Als eines der religionslosesten Länder der Welt (70 % der Bevölkerung sind konfessionslos) weist das Land dank seiner Digital- und Bildungspolitik ein schnelles Wachstum im Index der menschlichen Entwicklung auf.
- Japan: Obwohl sich das Land nicht als völlig irreligiös bezeichnet, ist seine Religiosität eher kulturell als dogmatisch bedingt und Wohlstand wird in erster Linie mit sozialer Sicherheit und wirtschaftlicher Entwicklung in Verbindung gebracht.
Schlussfolgerungen
Internationale Studien deuten darauf hin, dass Religionslosigkeit in einem Umfeld materiellen Wohlstands, institutioneller Sicherheit und eines hohen Bildungsniveaus gedeiht. In den Ländern mit der höchsten Religionslosigkeit zählt das subjektive Wohlbefinden zu den höchsten der Welt. Dies bestärkt die Vorstellung, dass Religion dort eine Ersatzrolle spielt, wo Staaten keinen Schutz gewährleisten können.
Dieser Zusammenhang bedeutet nicht, dass Religionslosigkeit zu größerem Wohlbefinden führt, sondern vielmehr, dass beide Phänomene auf denselben Hintergrund reagieren: sozioökonomische Entwicklung und die Festigung solider Institutionen.
Zitierte Quellen:
1) Vereinte Nationen. Weltglücksbericht 2023. https://worldhappiness.report
2) Pew Research Center. Die Zukunft der Weltreligionen: Bevölkerungswachstumsprognosen, 2015–2060. https://www.pewresearch.org
3) Gallup World Poll. Daten zu Religion und Wohlbefinden. https://www.gallup.com